Dienstag, 2. Dezember 2008

Blog-Adventskalender?

Adventszeit ;-) da dacht ich, ich kann meinen blog mal in eine art adventskalender umfunktionieren, mit ermutigenden texten und schönen fotos usw.

vielleicht nicht grad jeden tag (sonst hab ich das gefühl, ich spam meinen blog *G*), aber doch immer mal wieder... und los gehts:


Die Stadt

Ich bin mit dem Zug gekommen. Bei großen Städten lasse ich das Auto immer stehen. Sie sagen, man müsse diese Stadt gesehen haben. Ein Juwel sei sie, eine Weltstadt. Hier schlägt das Herz unserer Kultur, sagen sie.

Als wolle sie die ganze Welt zu sich einladen, streckt diese Stadt ihre Hauptverkehrsadern in sämtliche Himmelsrichtungen ins Land. Alle Wege führen hierher, heißt es. Genau genommen sind es wohl zwölf, verrät die Landkarte.
Viel schneller als erwartet hat mich einer der Schienenstränge ins Zentrum der Metropole getragen und in einem Lichtdurchfluteten Bahnhof an Land gespült. Als ob sie mir schon gleich zu Beginn ihre Offenheit für Fremde beweisen wolle.

Nun durchstreifen meine Schritte die Straßen und Plätze. Etwas ziellos, gebe ich zu. Irgendwie spüre ich den Puls der Stadt und lasse mich von ihm treiben. Als ob ihre ungestüme Lebenskraft mich in ihren Organismus zieht. Die Sonne scheint, aber es ist nicht heiß. Ein Wind geht, aber es ist nicht kalt.

Zweifellos ist sie schön, diese Stadt. Alte Fassaden und monumentale Bauten vergangener Zeiten finden sich in verblüffender Harmonie mit gewagten Konstruktionen aus Glas und Stahl. Tradition und Innovation bringen sich gegenseitig zur Geltung.
Wie es gelingt, eine Stadt dieser Größe so sauber zu halten, ist mir ein Rätsel. Aber sie ist es.

Und wie in vielen anderen Städten ist es auch hier der Fluss, der dieser Stadt ihren besonderen Charme verleiht. Ich folge ein paar Meter seinem Lauf. In vielen Windungen durchzieht sein kristallklares Wasser das Gebäudemeer. Obwohl an seinen Ufern befestigt, in seiner Richtung geleitet, obwohl überbrückt und gebremst, scheint er doch frei und lebendig und wild. Als könne er sich jederzeit sein altes Terrain zurückholen und dulde doch freundlich die Bauten an seinen Ufern.

Ich stutze, als ich an einem der Bäume an seinem Ufer hoch schaue. Sie tragen Früchte, diese Bäume. Große und viele, aber mir völlig unbekannte. Und das im Mai. Ich sehe Leute, die ein paar ihrer Blätter pflücken und wie einen Schatz nach Hause tragen.

Etwas ist nicht normal in dieser Stadt.
Auch mit den Menschen nicht.
Etwas ist anders an ihnen.

Die ganze Stadt scheint auf den Beinen, du bist hier nirgends allein und dennoch ist es nicht laut, kein Gedränge. Und niemand scheint in Hektik zu sein – ist heute ein Feiertag?
Bilde ich mir das ein oder wird hier mehr gelacht, als ich es gewohnt bin? Wo ich hinschaue, genießt man das Leben in Straßencafes und Kneipen. Die Luft ist voller Musik ... und kann es sein, dass ich seit dem Bahnhof kein trauriges Gesicht mehr sah?

Beinahe panisch schaue ich mich um nach den gewohnt harten Gesichtszügen der Vielbeschäftigten, dem gebeugten Gang der Mutlosen, dem Trotzgeschrei eines dreijährigen, der Wut seiner Mutter, dem leeren Blick des Obdachlosen.

Aber es gibt sie nicht in dieser Stadt. Meine Güte, es gib hier keine Obdachlosen. Wo um Gottes Willen sind die Penner, die Bettler, die Plastiktüten und verlausten Hunde? Rausgefegt wie alles andere, was hier nicht sauber genug ist?

Ich atme auf, als ich sie dann doch entdecke. Leicht zu erkennen an ihrem Parka, der ledrigen Haut, den verfilzten Haaren. Nur sitzen sie hier nicht auf der Straße, sondern an den Tischen. Nicht am Rand. Mittendrin. Trinken und lachen und reden, wie alle anderen ... mit allen anderen!
Ich steuere auf eines der Cafes zu und lasse mich irritiert auf einen der Stühle fallen. Um mich herum sitzen Menschen verschiedenster Nationalität. Vielleicht Besucher eines internationalen Kongresses? Aber nicht nur national herrscht hier ein Durcheinander – die Leute passen auch sonst nicht zusammen. Gleich neben mir lachen sich ein Yuppie mit Aktenköfferchen und ein Skin über denselben Witz kaputt. Konnte ihn nicht verstehen, den Witz. Spreche ihre Sprache nicht. Jetzt setzt sich ein altes Mütterchen mit ihrem Kamillentee zu ihnen, als ob sie alte Freunde träfe.

Oh Mann, in welcher Sprache bestellt man hier ein Bier?


Ich hab noch lange dort gesessen. Denn das Bier war gut und das Wetter ein Traum. Bis spät in die Nacht war es merkwürdig hell. Die Leute an meinem Tisch kamen und gingen. Ich hab eine Hand voll neuer Bekannter gewonnen.

Grace aus Südafrika hat mir erzählt, warum sie seit einiger Zeit hier lebt. Es gibt keine Tränen hier, sagt sie. Sie meinte nicht weniger Tränen, sie meinte keine. Keine Trauer, kein Leid, keinen Schmerz. Ich weiß, dass es sowas nicht gibt, aber wenn Grace es behauptet, ist es schwer, ihr nicht zu glauben.

Auf dem Rückweg zum Bahnhof hätte ich mich gerne noch für ein paar Minuten in eine Kirche gesetzt. Einen Augenblick Stille, um die letzten Stunden wirklich zu fassen. Aber ich habe keine gefunden. Keine Kirche, meine ich. Es gab einfach keine.

Ich fragte einen älteren Mann. Zuerst schien er nicht zu wissen, was ich will. Dann ging ein Schmunzeln über sein Gesicht. „Ach eine Kirche – nein, junger Mann, sowas haben wir hier nicht. Es gibt hier keine Kirche, in der ganzen Stadt nicht.“

„Ob den hier niemand an Gott glaube.“ Er grinste nur und murmelte im Weitergehen, dass dies wirklich eine lustige Frage sei. Plötzlich drehte er sich um und rief: „Bleiben sie – junger Mann (ich bin 34!) – solange, bis sie es herausgefunden haben.“

Ich habe seinen Rat befolgt.
Und ich habe es herausgefunden:
Diese Stadt braucht keine Kirche mehr.
Die Stadt selbst ist Gottes zu Hause.
Deshalb nennen sie sie die Heilige.
Offb.21

Dann sah ich
einen neuen Himmel und eine neue Erde.
Der erste Himmel und die erste Erde
waren verschwunden
und das Meer war nicht mehr da.

Ich sah,
wie die Heilige Stadt,
das neue Jerusalem,
von Gott aus dem Himmel herabkam.
Sie war festlich geschmückt wie eine Braut für ihren Bräutigam.
Sie strahlte die Herrlichkeit Gottes aus
und glänzte
wie ein kostbarer Stein,
wie ein kristallklarer Jaspis.

Sie war von einer mächtigen, hohen Mauer mit zwölf Toren umgeben.
Die Tore wurden von zwölf Engeln bewacht,
und die Namen der zwölf Stämme Israels waren an die Tore geschrieben.

Nach jeder Himmelsrichtung befanden sich drei Tore,
nach Osten, nach Norden, nach Süden und nach Westen.
Die Stadtmauer war auf zwölf Grundsteinen errichtet,
auf denen die Namen der zwölf Apostel des Lammes standen.

De Engel zeigt mir auch den Strom mit dem Wasser des Lebens,
der wie Kristall funkelt.
Der Strom entspringt am Thron Gottes
und des Lammes,
und fließt entlang der Hauptstraße
mitten durch die Stadt.

An beiden Seiten des Flusses wachsen Bäume:
der Baum des Lebens aus dem Paradies.
Sie bringen zwölfmal im Jahr Frucht,
jeden Monat einmal.
Ihre Blätter dienen den Menschen aller Völker als Heilmittel.

Die Stadt braucht weder Sonne noch Mond,
damit es hell in ihr wird.
Die Herrlichkeit Gottes strahlt in ihr
und das Lamm ist ihre Leuchte.

In dem Licht,
das von der Stadt ausgeht,
werden die Völker leben.
Die Könige der Erde werden ihre Reichtümer in die Stadt tragen.
Ihre Tore werden den ganzen Tag offen stehen,
mehr noch:
Sie werden nie geschlossen,
weil es dort keine Nacht gibt.
Pracht und Reichtum der Völker werden in diese Stadt gebracht.
Aber nichts Unreines wird Einlass finden.

Einen Tempel sah ich nicht in der Stadt.

Gott,
der Herrscher der Welt,
ist selbst ihr Tempel,
und das Lamm mit ihm.

Und vom Thron her hörte ich eine starke Stimme rufen:
„Dies ist die Wohnstätte Gottes bei den Menschen!
Er wird bei ihnen wohnen
und sie
werden seine Völker sein.
Gott selbst wird als ihr Gott bei ihnen sein.
Er wird alle ihre Tränen abwischen.
Es wird keinen Tod mehr geben
und keine Traurigkeit,
keine Klage
und keine Quälerei mehr.

Was einmal war,
ist für immer
vorbei.“
(c) by Christoph Schmitter

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